Urteile zur Doppelbesteuerung der Renten: Finanzverwaltung kündigt Änderungen an
Der Bundesfinanzhof hat am 19.5.2021 zwei Klagen zur Doppelbesteuerung der Renten als unbegründet abgewiesen. Allerdings ergibt sich auf der Grundlage der Berechnungsvorgaben des Bundesfinanzhofs, dass spätere Rentenjahrgänge von einer doppelten Besteuerung betroffen sein dürften. Das Bundesfinanzministerium hat bereits angekündigt, sich nach der Bundestagswahl mit etwaigen Änderungen zu beschäftigen.
Vorbemerkungen
Ursprünglich mussten Rentenbeiträge aus dem bereits versteuerten Einkommen abgeführt werden, während die Rentenbezüge später steuerfrei waren. Die Versteuerung war also vorgelagert. Beamtenpensionen mussten dagegen voll versteuert werden. Dies bewertete das Bundesverfassungsgericht 2002 als unzulässige Ungleichbehandlung. Daraufhin entschied der Gesetzgeber, ab 2005 schrittweise auf eine nachgelagerte Besteuerung umzustellen – und zwar für die Besteuerungs- und für die Beitragsseite:
- Schrittweise bis 2025 sind immer größere Anteile der Rentenbeiträge von der Steuer absetzbar (in 2021 sind es 92%). Ab 2025 sind dann sämtliche Altersvorsorgeaufwendungen ungekürzt als Sonderausgaben
- Bezieht ein Rentner seit 2005 oder früher eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, beträgt der Besteuerungsanteil 50%. Für jeden neu hinzukommenden Rentenjahrgang erhöht sich der Prozentsatz um jährlich 2% (ab 2021 um 1%), sodass der Besteuerungsanteil ab 2040 dann 100% beträgt.
Sachverhalt (Az. X R 33/19)
Ein Steuerpflichtiger war während seiner aktiven Erwerbstätigkeit überwiegend selbstständig tätig. Antragsgemäß war er in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Seine Rentenbeiträge zahlte er größtenteils aus eigenem Einkommen. Seit 2007 erhält der Steuerpflichtige eine Altersrente.
Das Finanzamt hatte im Streitjahr 2008 – entsprechend der gesetzlichen Übergangsregelung – 46% der Rente als steuerfrei behandelt und die verbleibenden 54% der Einkommensteuer unterworfen.
Der Steuerpflichtige legte eine eigene Berechnung vor, wonach er rechnerisch deutlich mehr als 46% seiner Rentenversicherungsbeiträge aus seinem bereits versteuerten Einkommen geleistet hat. Nach seiner Auffassung liegt deshalb eine verfassungswidrige doppelte Besteuerung von Teilen seiner Rente vor.
Dies sah der Bundesfinanzhof jedoch anders.
Eine doppelte Besteuerung wird vermieden, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge. Angesichts des noch recht hohen Rentenfreibetrags von 46% der Rentenbezüge des Steuerpflichtigen ergab sich nach Ansicht des Bundesfinanzhofs keine doppelte Besteuerung.
Die zwischen der früheren Beitragszahlung und dem heutigen bzw. künftigen Rentenbezug eintretende Geldentwertung ist bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen. Für eine solche Abweichung vom Nominalwertprinzip sah der Bundesfinanzhof keine Grundlage. Infolgedessen können Wertsteigerungen der Renten – unabhängig davon, ob sie inflationsbedingt sind oder eine reale Erhöhung darstellen – besteuert werden.
Für die Ermittlung einer etwaigen doppelten Besteuerung von Renten hat der Bundesfinanzhof nun erstmals konkrete Berechnungsparameter festgelegt. Dabei hat er klargestellt, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu rechnen sind.
Merke: Alle anderen Beträge, die die Finanzverwaltung ebenfalls als „steuerfreien Rentenbezug“ in die Vergleichsrechnung einbeziehen möchte, bleiben allerdings unberücksichtigt.
Damit bleibt insbesondere auch der Grundfreibetrag (9.744 EUR in 2021), der das steuerliche Existenzminimum jedes Steuerpflichtigen sichern soll, bei der Berechnung des „steuerfreien Rentenbezugs“ unberücksichtigt.
Beachten Sie: Auch für die Ermittlung des aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Teils der Rentenversicherungsbeiträge hat der Bundesfinanzhof konkrete Berechnungsparameter formuliert.
Für spätere Rentenjahrgänge, für die der Rentenfreibetrag nach der gesetzlichen Übergangsregelung immer weiter abgeschmolzen wird, zeichnet sich für den Bundesfinanzhof eine Doppelbesteuerung ab. Denn auch diese Rentenjahrgänge haben erhebliche Teile ihrer Rentenbeiträge aus versteuertem Einkommen geleistet.
Anmerkung: Es ist zwar positiv, dass der Bundesfinanzhof erstmals konkrete Berechnungsparameter festgelegt hat. Allerdings liegt hier auch das Problem: Denn es muss erst aufwendig gerechnet werden. Das Bundesfinanzministerium hat bereits angekündigt, sich nach der Bundestagswahl mit etwaigen Änderungen zu beschäftigen.
Keine Doppelbesteuerung bei privaten Renten
Nach einer weiteren Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 19.5.2021 kann es bei Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung, die – anders als gesetzliche Altersrenten – lediglich mit dem jeweiligen Ertragsanteil besteuert werden, systembedingt keine unzulässige Doppelbesteuerung geben.
Der gesetzlich festgelegte Ertragsanteil typisiert in zulässiger Weise die Verzinsung der Kapitalrückzahlung für die gesamte Dauer des Rentenbezugs. Diese Art der Besteuerung verlangt nach Meinung des Bundesfinanzhofs nicht, dass die Beitragszahlungen in der Ansparphase steuerfrei gestellt werden.
Zudem stellte der Bundesfinanzhof in dieser Entscheidung Folgendes heraus: Die gesetzliche Öffnungsklausel, die bei überobligatorisch hohen Einzahlungen in ein Altersvorsorgesystem der Gefahr einer doppelten Besteuerung von Renten vorbeugen soll, ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur auf Antrag des Steuerpflichtigen anwendbar.
Quelle: BFH-Urteil vom 19.5.2021, Az. X R 33/19